Zusammenfassung des Urteils DGZ.2020.6 (AG.2020.650): Appellationsgericht
Die Anzeigestellerin und ihr Ehemann wurden getrennt und haben eine Tochter. Nach verschiedenen Verhandlungen und Entscheiden des Zivilgerichtspräsidenten bezüglich Unterhalt und Obhut der Tochter reichte die Anzeigestellerin Beschwerden ein. Sie beschuldigte den Richter und die Rechtsvertreterin des Ehemanns ungebührlichen Verhaltens. Das Appellationsgericht prüfte die Vorwürfe, fand jedoch kein pflichtwidriges Verhalten des Richters. Die Beschwerden wurden abgewiesen, und es entstanden keine Kosten.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | DGZ.2020.6 (AG.2020.650) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 23.11.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Aufsichtsbeschwerde gegen den Zivilgerichtspräsidenten |
Schlagwörter: | Anzeige; Anzeigestellerin; Zivilgericht; Zivilgerichts; Zivilgerichtspräsident; Entscheid; Ehemann; Recht; Rechtsvertreterin; Tochter; Zivilgerichtspräsidenten; Verhandlung; Verfahren; Appellationsgericht; Migrationsamt; Aufsicht; Ehemanns; Gericht; Verhalten; Richter; Verfahrens; Vernehmlassung; Vorwurf; Aufenthalt; Appellationsgerichts; Angebot; Parteien; Unterhalt |
Rechtsnorm: | Art. 97 AIG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Spescha, Kommentar Migrationsrecht, Art. 97 AIG SR, 2019 |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Dreiergericht |
DGZ.2020.6
ENTSCHEID
vom 27. November 2020
Mitwirkende
Dr. Olivier Steiner, Dr. Claudius Gelzer, lic. iur. André Equey
und Gerichtsschreiber Dr. Alexander Zürcher
Beteiligte
Zivilgerichtspräsident A____
Gegenstand
Aufsichtsrechtliche Anzeigen
von B____ vom 23.Juni und 31. August2020
Sachverhalt
B____ (Anzeigestellerin) und C____ (Ehemann) heirateten am 14.Februar2013. Aus der Ehe ging eine am 27.November 2013 geborene Tochter hervor. Am 8.Februar2019 gelangte die Anzeigestellerin an das Zivilgericht und ersuchte um Bewilligung und Regelung des Getrenntlebens. Für das Verfahren war Zivilgerichtspräsident A____ als Einzelrichter zuständig. Am 25.April2019 fand vor dem Zivilgerichtspräsidenten eine Verhandlung mit den beiden Parteien, deren Rechtsvertreterinnen sowie einer Dolmetscherin statt. Mit Entscheid vom gleichen Tag bestätigte der Zivilgerichtspräsident den Ehegatten das bestehende Getrenntleben und regelte gewisse Aspekte des Getrenntlebens. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Gesuch vom 9.August2019 stellte der Ehemann dem Zivilgericht Anträge betreffend die Obhut über die Tochter und deren Schulung. Nachdem die Anzeigestellerin ihrerseits Anträge betreffend die Obhut über die Tochter, den Unterhalt für die Tochter und die eheliche Wohnung gestellt hatte, fand am 28.August2019 in dieser Sache eine Verhandlung statt. Daran nahmen die Anzeigestellerin mit ihrer neuen Rechtsvertreterin, der Ehemann mit seiner Rechtsvertreterin sowie ein Dolmetscher teil. Nach weiterem Schriftverkehr fällte der Zivilgerichtspräsident am 23.Oktober 2019 einen Entscheid, in welchem er in Ergänzung seines Entscheids vom 25.April2019 die Obhut über die Tochter und die Betreuungsanteile der Eltern regelte. Den Ehemann verpflichtete er, der Anzeigestellerin an den Unterhalt der Tochter einen Unterhaltsbeitrag von CHF3'308.- zu bezahlen, die Kosten der von der Anzeigestellerin und der Tochter bewohnten Wohnung zu tragen und der Anzeigestellerin einen Anteil von 10 % seines Nettobonus als Barunterhalt für die Tochter zu überweisen. Die Ehefrau verpflichtete er, sich umgehend und intensiv um eine Anstellung von mindestens 50 % zu bemühen und dem Gericht am 2. März 2020 ihre Bemühungen einzureichen, falls sie bis zu diesem Zeitpunkt keine Stelle gefunden hat. Dieser Entscheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom 28. Februar 2020 reichte die Anzeigestellerin Belege für ihre Stellensuche ein. In der Folge stellten die Ehegatten mit mehreren Eingaben Anträge betreffend den Kindesunterhalt, die Schulung der Tochter und Prozesskostenvorschüsse. Am 19.August2020 fand eine weitere Verhandlung statt, an der die Parteien mit ihren Rechtsvertreterinnen sowie eine Dolmetscherin teilnahmen. Mit Entscheid vom gleichen Tag ermächtigte der Zivilgerichtspräsident den Ehemann, die Einschulung der Tochter in Frankreich zu veranlassen. In Abänderung seines Entscheids vom 23.Oktober 2019 behaftete er den Ehemann bei seiner Bereitschaft, der Anzeigestellerin an den Unterhalt der Tochter einen Barunterhaltsbeitrag von CHF1'000.- zu bezahlen, verpflichtete ihn, die Kosten der von der Ehefrau und der Tochter bewohnten Wohnung zu tragen und der Anzeigestellerin einen Anteil von 10% seines Nettobonus als Barunterhalt für die Tochter zu überweisen, und erlaubte ihm, den Wohnkostenanteil der Ehefrau von CHF500.- vom Barunterhaltsbeitrag für die Tochter abzuziehen. Mit Gesuch vom 16. September 2020 ersuchte die Anzeigestellerin das Appellationsgericht um vorsorglichen Aufschub der Wirkungen der Regelung der Einschulung (Aktenzeichen DGZ.2020.9). Mit Berufung vom 5.Oktober2020 focht die Anzeigestellerin den Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten vom 19. August 2020 betreffend die Regelung der Einschulung in Frankreich an (Aktenzeichen ZB.2020.35).
Mit einer an die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte gerichteten Eingabe vom 23. Juni 2020 (Eingang beim Appellationsgericht 24.Juli2020) beanstandete die Anzeigestellerin verschiedene Verhaltensweisen der Rechtsvertreterin des Ehemanns und des Zivilgerichtspräsidenten im vorstehend geschilderten Verfahren. Am 31.August2020 reichte die Anzeigestellerin sinngemäss eine ergänzende aufsichtsrechtliche Anzeige ein. Der Zivilgerichtspräsident beantragte mit Vernehmlassung vom 5.Oktober 2020 die Abweisung der aufsichtsrechtlichen Anzeigen. Am 26.Oktober2020 reichte die Anzeigestellerin eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten ein. Das Appellationsgericht zog die Akten des Appellationsgerichts im Verfahren DGZ.2020.9 und die Akten des Appellationsgerichts im Verfahren ZB.2020.35 einschliesslich Vorakten in elektronischer Form bei. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.
Erwägungen
1. Formelles
1.1 Wegen Verletzung von Amtspflichten bei den Gerichten kann schriftlich mit Antrag und Begründung bei der betreffenden Aufsichtsbehörde bzw. der vorgesetzten Behörde eine aufsichtsrechtliche Anzeige eingereicht werden (§ 68 Abs.1 Gerichtsorganisationsgesetz [GOG, SG 154.100]). Das Appellationsgericht als Gesamtgericht beaufsichtigt die unteren Gerichte unter Wahrung ihrer gerichtlichen Unabhängigkeit (§ 90 Ziff. 3 GOG). Für aufsichtsrechtliche Anzeigen gegen die der Aufsicht des Appellationsgerichts unterstehenden Gerichte ist ein Dreiergericht des Appellationsgerichts zuständig (§ 92 Abs. 1 Ziff. 12 GOG).
1.2 Die Eingabe vom 23. Juni 2020 wird betreffend die Vorwürfe gegen den Zivilgerichtspräsidenten als aufsichtsrechtliche Anzeige entgegengenommen. Insoweit ist darauf einzutreten. Betreffend die Vorwürfe gegen die Rechtsvertreterin des Ehemanns wurde die Eingabe vom 23. Juni 2020 von der Aufsichtskommission über die Anwältinnen und Anwälte als Anzeige entgegengenommen. Diesbezüglich ist das Appellationsgericht im Rahmen der Aufsicht über die unteren Gerichte für die Behandlung nicht zuständig.
1.3 Das Appellationsgericht als Aufsichtsbehörde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest (§ 68 Abs.5 GOG) und überprüft die erhobenen Rügen mit freier Kognition (AGE DG.2017.49 vom 21. März 2018 E. 1.3). Es gibt der Anzeigestellerin Auskunft über die Erledigung ihrer Anzeige (§ 68 Abs. 5 GOG). Gemäss der ständigen Praxis des Appellationsgerichts erfolgt diese Auskunft in Form eines begründeten Entscheids (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E.1.2).
2. Grundsätze der Aufsicht
2.1 Bei der Aufsicht des Appellationsgerichts über das Zivilgericht geht es um die Aufsicht über die Geschäftsführung und nicht über die Rechtsprechung (AGE DGZ.2019.9 vom 6.April2020 E.2, DG.2017.31 vom 31.Januar2018 E.2 und DG.2017.27 vom 30. August 2017 E. 1.3; Ratschlag Nr. 14.0147.01 vom 28. Mai 2014 zu einer Totalrevision des Gerichtsorganisationsgesetzes, S.51). Der Zweck der Aufsichtsbefugnis besteht darin, im Hinblick auf eine ordnungsgemässe Erledigung der Prozesse ein geordnetes Funktionieren der erstinstanzlichen Gerichte sicherzustellen und für eine pflichtbewusste Amtsführung der einzelnen Organe zu sorgen. Das Einschreiten des Appellationsgerichts kraft Aufsichtsgewalt setzt ein pflichtwidriges Verhalten eines seiner Aufsicht unterliegenden Richters Justizangestellten voraus. Nach der Praxis des Appellationsgerichts liegt ein Grund für das Einschreiten der Aufsichtsbehörde dann vor, wenn der erstinstanzliche Richter ein Justizangestellter die Amtsgeschäfte leichtfertig führt, bei der Vornahme von Amtshandlungen Parteien Dritte ungebührlich behandelt, von seiner Amtsbefugnis einen missbräuchlichen Gebrauch macht sonst ein Verhalten an den Tag legt, das der Würde und dem Ansehen des Richteramts des Gerichts abträglich ist. Die Überprüfung eines ergangenen Entscheids auf formelle materielle Mängel kann demgegenüber nicht stattfinden, da die Aufhebung Abänderung eines Entscheids nur im Rahmen einer Berufung einer Beschwerde, nicht aber mittels einer Aufsichtsbeschwerde erfolgen kann (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 2, DGZ.2019.8 vom 5.Februar 2020 E.2.2 und DGS.2019.27 vom 3. Dezember 2019 E. 1.2).
2.2 Nicht jede Verletzung von Verfahrensgrundsätzen durch den Richter bildet einen hinreichenden Grund für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten des Appellationsgerichts. Die Schwelle ist aber dort erreicht, wo die Verletzungen derart schwer wiegen, dass sie einer leichtfertigen Amtsführung, einer ungebührlichen Behandlung der Beteiligten, einem missbräuchlichen Gebrauch der Amtsbefugnisse sonstwie einem Verhalten gleichkommen, das der Würde und dem Ansehen des Gerichts abträglich ist (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 2 und DGZ.2019.8 vom 5. Februar 2020 E.2.2; vgl. AGE DG.2017.31 vom 31. Januar 2018 E. 2).
2.3 Art.29 Abs.1 der Bundesverfassung (BV, SR101) garantiert den Anspruch auf «gleiche und gerechte Behandlung». Darin enthalten ist das grundlegende Gebot eines fairen Verfahrens (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 3.2; Waldmann, in: Basler Kommentar, 2015, Art.29 BV N16). Zusammen mit dem Gebot der richterlichen Unabhängigkeit (Art.30 Abs.1BV) verlangt der prozessuale Fairnessgrundsatz vom Richter, dass er zu jedem Zeitpunkt in gleichbleibender Distanz zu den Verfahrensparteien und ihren Anliegen steht. Nähebeziehungen zur einen anderen Partei bedeuten Distanzverlust und begünstigen Befürchtungen unsachgemässer Bevorzugung Benachteiligung der einen anderen Partei, namentlich wenn sie ein bestimmtes Mass überschreiten (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 3.2; vgl. Kiener, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S.89f.). So kann das Gebot zur richterlichen Distanzierung und Neutralität etwa durch unbotmässige Äusserungen des Richters zur Person zum Verhalten der Parteien verletzt werden (AGE DGZ.2019.9 vom 6.April 2020 E. 3.2; näher dazu Kiener, a.a.O., S.100ff.). Richter haben grundsätzlich eine zurückhaltende Ausdrucksweise zu wählen und sich um die nötige Gelassenheit zu bemühen. Eine vollkommene Abgeklärtheit kann jedoch nicht in jeder Situation gleichermassen erwartet werden. Das Gebot der Sachlichkeit verlangt, dass sich Richter insbesondere in der Hauptverhandlung grob unsachlicher Bemerkungen, Demonstrationen von Bestrafungswillen, sachfremden Machtbewusstseins Humor auf Kosten der Verfahrensbeteiligten enthalten. Kritik, namentlich an der Verfahrensführung der Beteiligten, ist allerdings nicht ausgeschlossen. Ungeschickte scherzhafte Äusserungen, verbale Entgleisungen, Unhöflichkeiten eine gewisse Ungehaltenheit vermögen grundsätzlich noch keine Befangenheit zu begründen. Demgegenüber sind kränkende beleidigende Werturteile, die Persönlichkeitsmerkmale der Parteien wie Aussehen, Geschlecht, Rasse, Herkunft, religiöse Zugehörigkeit sexuelle Orientierung betreffen, klar verpönt (AGE DGZ.2019.9 vom 6.April2020 E.3.2; vgl. BGer 1B_214/2016 vom 28.Juli 2016 E.3.4). Negative Bemerkungen, die sich gegen die Person einer Verfahrenspartei richten, hat ein Richter zu unterlassen (BGer 1B_214/2016 vom 28. Juli 2016 E. 3.4). Ebenso wenig darf ein Richter die Parteien manipulieren, ihnen etwa Vergleiche aufnötigen sie zum Verzicht auf ein Rechtsmittel zu bestimmten prozessualen Vorkehrungen drängen (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 3.2; vgl. Kiener, a.a.O., S.103). Ein Richter darf auf eine Partei weder übermässig noch mit unzulässigen Mitteln Druck ausüben, um sie zum Abschluss eines Vergleichs zu bewegen (vgl. AGE DG.2017.31 vom 31. Januar 2018 E.4 [betreffend Schlichtungsverfahren]; vgl. zur unzulässigen Ausübung übermässigen Vergleichsdrucks auf eine Partei ferner AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E.3.3.2). Wann bestimmte Äusserungen ein bestimmtes Verhalten des Richters die Grenze des Zulässigen bzw. noch Hinnehmbaren überschreitet, lässt sich nur in Würdigung der «Verfahrensgesamtheit» beurteilen (AGE DGZ.2019.9 vom 6. April 2020 E. 3.2; Kiener, a.a.O., S.102).
3. Eingangsvotum
Die Anzeigestellerin behauptet, der Zivilgerichtspräsident habe zu Beginn der Verhandlung vom 25. April 2019 gesagt: "Sie arbeiten nicht, Sie sprechen kein Deutsch, verlassen Sie die Schweiz." (Anzeigeergänzung, S.1) Der Zivilgerichtspräsident macht geltend, er habe derartige Ausführungen weder wörtlich noch sinngemäss gemacht (Vernehmlassung, S.5). Die Feststellungen, dass die Anzeigestellerin nicht arbeite und kein Deutsch spreche, wären ohnehin nicht zu beanstanden, weil sie der Wahrheit entsprochen hätten und sachlich gewesen wären. In der Verhandlung vom 25.April 2019 erklärte die Anzeigestellerin denn auch, dass alles übersetzt werden müsse (Verhandlungsprotokoll, S.2), und in der Verhandlung vom 28. August 2019 erklärte sie, sie verstehe kein Deutsch (Verhandlungsprotokoll, S. 2). Angesichts der fehlenden passiven Deutschkenntnisse erscheint es ausgeschlossen, dass die Anzeigestellerin über relevante aktive Deutschkenntnisse verfügt hat. Eine Aufforderung des Zivilgerichtspräsidenten an eine Partei, die Schweiz zu verlassen, wäre höchst ungewöhnlich, erst recht zu Beginn einer Eheschutzverhandlung. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb der Zivilgerichtspräsident einen Anlass für eine entsprechende Aussage gehabt haben könnte. Schliesslich liegt es angesichts der fehlenden Deutschkenntnisse der Anzeigestellerin nahe, dass sie den Zivilgerichtspräsidenten missverstanden hat. Die erst mehr als ein Jahr nach der Verhandlung aufgestellte und durch nichts belegte Behauptung der Anzeigestellerin ist deshalb unglaubhaft und nicht geeignet, den Vorwurf einer unsachlichen in anderer Weise ungebührlichen Äusserung zu begründen.
4. Behinderung der Rechtsvertreterin bei der Berufsausübung?
In der Verhandlung vom 28. August 2019 erklärte die Rechtsvertreterin der Anzeigestellerin, es habe Vorfälle gegeben, welche die Anzeigestellerin beanzeigt habe (Verhandlungsprotokoll, S. 8). Gemäss der Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten (S.4) kann der Inhalt dieser Anzeige einer E-Mail einer Mitarbeiterin der Familien-, Paar- und Erziehungsberatung (fabe) vom 18.Juli 2019 an den Ehemann entnommen werden. Demnach ging es um den Vorwurf, dass der Ehemann seine neue Partnerin nicht daran gehindert habe, die Tochter am Arm zu kneifen und die Haut zu drehen. Der Zivilgerichtspräsident äusserte dem Verhandlungsprotokoll zufolge (S.8) sein Unverständnis darüber, dass die Rechtsvertreterin der Ehefrau die Anschuldigungen der Ehefrau unbesehen als Fakten übernommen habe. Zudem hielt er die Rechtsvertreterin der Anzeigestellerin an, von derartigen Ausführungen abzusehen. Die Anzeigestellerin behauptet, der Zivilgerichtspräsident habe ihre Rechtsvertreterin dabei wütend unterbrochen und daran gehindert, ihren Beruf ordnungsgemäss auszuüben (Anzeige, S.2; Anzeigeergänzung, S.1). Der Zivilgerichtspräsident wendet dagegen ein, er habe sich wohl bestimmt, aber absolut respektwahrend geäussert (Vernehmlassung, S. 4).
Es erscheint möglich, dass die Anzeigestellerin eine gewisse Ungehaltenheit des Zivilgerichtspräsidenten wahrgenommen hat. Darin läge aber keine ungebührliche Behandlung der Verfahrensbeteiligten. Die unsubstanziierte Behauptung der Anzeigestellerin, der Zivilgerichtspräsident sei wütend gewesen, ist nicht geeignet, den Vorwurf eines ungebührlichen Verhaltens zu begründen.
Der Vorwurf der Anzeigestellerin, der Zivilgerichtspräsident habe ihre Rechtsvertreterin daran gehindert, ihren Beruf ordnungsgemäss auszuüben, ist unbegründet. Zunächst hatte auch die Mitarbeiterin der fabe den Vorwurf der Anzeigestellerin unkritisch übernommen (vgl. E-Mail [...] vom 18. Juli 2019). Der Ehemann war deshalb verständlicherweise irritiert (vgl. E-Mail des Ehemanns vom 21. August 2019; Vernehmlassung, S. 4). Gemäss den Angaben des Ehemanns nahm die Mitarbeiterin den Vorwurf anlässlich eines Gesprächs zurück (E-Mail des Ehemanns vom 21.August2019; Eingabe der Rechtsvertreterin des Ehemanns vom 23.August 2019). Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass der Zivilgerichtspräsident verhindern wollte, dass die Rechtsvertreterin der Anzeigestellerin erneut für unnötige Irritationen sorgt, indem auch sie die Vorwürfe der Anzeigestellerin unbesehen als Tatsachen übernimmt. In der Begründung seines Entscheids vom 23.Oktober 2019 erwog der Zivilgerichtspräsident, die Vorwürfe der Anzeigestellerin gegen die Lebenspartnerin des Ehemanns stünden einer ausgedehnten Betreuung der Tochter durch den Ehemann nicht entgegen. Die vom Ehemann bestrittenen Anschuldigungen seien nicht belegt. Selbst wenn die behauptete einmalige Tätlichkeit tatsächlich stattgefunden haben sollte, hätte sie jedoch nicht zur Folge, dass der Ehemann die Tochter nicht mehr zu sich nehmen dürfte. Da sie nicht beantragt habe, dass der Ehemann die Tochter nicht mehr zuhause sehen dürfe, scheine dies auch der Einschätzung der Anzeigestellerin zu entsprechen (Entscheid vom 23. Oktober 2019, E.3.2). Die Anzeigestellerin macht nicht geltend, dass ihre Rechtsvertreterin in der Verhandlung vom 28.August 2019 irgendwelche Beweise für die Vorwürfe der Anzeigestellerin hätte nennen wollen. Damit ist nicht ersichtlich, wie sie vom Zivilgerichtspräsidenten an der Wahrung der Interessen der Anzeigestellerin hätte gehindert werden sollen.
5. Bezichtigung der Lüge?
Die Anzeigestellerin behauptet, im Anschluss an die Bemerkung gegenüber ihrer Rechtsvertreterin sei der Zivilgerichtspräsident "ausgerutscht", habe Dampf abgelassen und sie zu Unrecht der Lüge bezichtigt (Anzeige, S.2). Mit ihren kaum verständlichen Ausführungen scheint die Anzeigestellerin behaupten zu wollen, die Lüge, die ihr der Zivilgerichtspräsident vorgeworfen habe, solle darin bestanden haben, dass sie zu Unrecht behauptet habe, der Ehemann lebe mit drei Kindern zusammen (vgl. Anzeige, S. 2; Anzeigeergänzung, S.1; E-Mail [...] vom 18.Juli 2019; Schreiben [...] vom 6. September 2019). Der Zivilgerichtspräsident führt aus, er habe sich respektwahrend und korrekt verhalten und der Vorwurf, er habe die Anzeigestellerin der Lüge bezichtigt, sei unzutreffend (Vernehmlassung, S.1 und 3f.). In der Verhandlung vom 25. April 2019 erklärte die Rechtsvertreterin des Ehemanns, dieser lebe in Frankreich zusammen mit seiner neuen Partnerin und deren Kindern (Verhandlungsprotokoll, S.2 und 5). Dementsprechend erwog der Zivilgerichtspräsident in der Begründung seines Entscheids vom 23. Oktober 2019, der Ehemann lebe mit seiner Partnerin und deren Kindern zusammen (Entscheid vom 23.Oktober2019, E.4.2.1). Unter diesen Umständen erscheint es schlechterdings ausgeschlossen, dass der Zivilgerichtspräsident die Anzeigestellerin der Lüge bezichtigt hat, weil sie gesagt habe, der Ehemann lebe mit drei Kindern zusammen. Die Behauptungen der Anzeigestellerin im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Lüge sind daher unglaubhaft und nicht geeignet, den Vorwurf eines ungebührlichen Verhaltens zu begründen.
6. Drohung?
6.1 Die Anzeigestellerin behauptet, der Zivilgerichtspräsident habe sie in der Verhandlung vom 28. August 2019 bedroht (Anzeige, S.2; Anzeigeergänzung, S.1). Trotz der Beharrlichkeit des Zivilgerichtspräsidenten habe sie sich geweigert, sich in der Schweiz scheiden zu lassen. Dazu habe der Zivilgerichtspräsident sehr wütend gesagt: "Da Sie keine Entscheidung treffen, werde ich sie für Sie treffen und es wird nicht zu Ihren Gunsten sein. Ich werde an die Einwanderung schreiben, ich werde an die Sozialhilfe schreiben, damit Sie überhaupt nichts bekommen!" Zum Beweis verweist die Anzeigestellerin auf eine E-Mail ihrer Rechtsvertreterin vom 29.August 2019. In dieser auf Englisch verfassten E-Mail an die Anzeigestellerin schreibt die Anwältin, nach der Verhandlung vom Vortag sei sie nicht sicher, ob der Gerichtspräsident der Anzeigestellerin Unterhalt zusprechen werde. Es scheine ihr, dass er so verärgert über die Anzeigestellerin und ihre Rechtsvertreterin gewesen sei, dass er Dinge gesagt habe, die bedrohlich gewesen seien, z. B. dass er in Erwägung ziehe, dem Migrationsamt und der Sozialhilfe mitzuteilen, dass die Anzeigestellerin das Angebot ihres Ehemanns nicht angenommen habe ("It seems to me, that he was so angry with you and with me, that things he said were threatening, for example that he thinks about telling the migration office and social aid, that you did not agree in the offer of your husband."). Er sei absolut nicht berechtigt, derartige Dinge zu tun. Er dürfte ausschliesslich das Migrationsamt über die Trennung informieren.
Der Zivilgerichtspräsident bestreitet, dass er sich in der Verhandlung vom 28. August 2019 unkorrekt verhalten habe (vgl. Vernehmlassung, S.1 und 3-5). Wie sich aus dem Verhandlungsprotokoll (S.4) ergibt, machte der Ehemann in der Verhandlung vom 28.August 2019 betreffend das Getrenntleben ein Angebot bezüglich der Scheidungsfolgen. Nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Zivilgerichtspräsidenten war dieses Angebot äusserst grosszügig und im Interesse der Tochter (Stellungnahme, S. 4). Dass es wohl unter der Bedingung stand, dass die Anzeigestellerin im Elsass der Region Basel wohnt (vgl. ihre Stellungnahme vom 26.Oktober 2020, S.3; Verhandlungsprotokoll, S.4-6), ändert daran nichts. Der Zivilgerichtspräsident legt dar, er habe versucht, der Anzeigestellerin zu erläutern, dass und weshalb er das Angebot als angemessen erachte. Er habe ihr in Aussicht gestellt, dass im Fall der Ablehnung des Angebots ihr wirtschaftliches Fortkommen und damit auch ihr Aufenthaltsstatus gefährdet seien. Ferner werde dem Migrationsamt praxisgemäss eine Kopie des Entscheids zugestellt. Es sei ihm darum gegangen, der Ehefrau die tatsächlich bedrohlichen Entwicklungen wie den Entzug der Aufenthaltsbewilligung, die voraussichtliche Sozialhilfebedürftigkeit und die Einschulung der Tochter in Frankreich, die damals absehbar gewesen seien und nun effektiv eingetreten seien bzw. bevorstünden, aufzuzeigen (Vernehmlassung, S.4f.).
6.2 Aufgrund der Darstellungen der Anzeigestellerin bzw. ihrer Rechtsvertreterin einerseits und der Darstellung des Zivilgerichtspräsidenten andererseits ist anzunehmen, dass der Zivilgerichtspräsident der Ehefrau in der Verhandlung vom 28.August 2019 erklärt hat, bei Ablehnung des Angebots des Ehemanns bestehe die Gefahr, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könne, dass sie ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz verliere und dass sie Sozialhilfe beziehen müsse. Wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, haben diese Gefahren tatsächlich bestanden.
Im Verfahren, in dem am 28.August2019 die Verhandlung stattgefunden hatte, erging am 23. Oktober 2019 der Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten. Damit wurde der Ehemann verpflichtet, der Anzeigestellerin an den Unterhalt der Tochter einen Unterhaltsbeitrag von CHF 3'308.- zu bezahlen und die Kosten der von der Anzeigestellerin und der Tochter bewohnten Wohnung zu tragen. In diesem Kindesunterhaltsbeitrag war ein Betreuungsunterhalt von CHF2'967.- enthalten (Entscheid vom 23.Oktober 2019, Ziff. 2 und E. 4.3). Der Zivilgerichtspräsident erwog, der Ehefrau sei derzeit noch kein hypothetisches Einkommen anzurechnen (Entscheid vom 23.Oktober 2019, E. 4.2.4). Er verpflichtete sie aber, sich umgehend und intensiv um eine Anstellung von mindestens 50% zu bemühen und dem Gericht am 2. März 2020 ihre Bemühungen einzureichen, falls sie bis dahin keine Stelle gefunden haben sollte. Zudem machte er sie darauf aufmerksam, dass ihr ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden könne, falls sich ihre Bemühungen als ungenügend erweisen sollten (Entscheid vom 23. Oktober 2019, Ziff. 4). In seinem Entscheid vom 19.August 2020 stellte der Zivilgerichtspräsident fest, die Anzeigestellerin habe nicht nachgewiesen, dass sie sich in genügender Weise um eine Anstellung bemüht habe, und es sei davon auszugehen, dass es ihr bei genügenden Bemühungen möglich und zumutbar gewesen wäre, eine angemessene Anstellung von 50% zu finden. Daher sei ihr ein hypothetisches Einkommen anzurechnen und bestehe kein Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt (Entscheid vom 19. August 2020, E. 3.7 f.). Die Anzeigestellerin akzeptierte diesen Entscheid betreffend die Aufhebung des Betreuungsunterhalts (Berufung vom 5.Oktober 2020, Ziff.39). Dass die Anzeigestellerin nach der Aufhebung des Betreuungsunterhalts voraussichtlich wird Sozialhilfe beziehen müssen, wenn sie nicht umgehend eine Stelle findet, ist demnach naheliegend.
Am 16. Januar 2016 wurde der Anzeigestellerin eine bis zum 15. Januar 2021 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann erteilt. Mit Schreiben vom 7.September 2020 teilte das Migrationsamt der Anzeigestellerin mit, dass es beabsichtige, mangels eines fortdauernden Ehewillens die Aufenthaltsbewilligung zu widerrufen und die Anzeigestellerin aus der Schweiz wegzuweisen. Eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG, SR142.20) komme mangels dreijähriger Ehegemeinschaft nicht in Betracht. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit berücksichtigte das Migrationsamt, dass die Anzeigestellerin in der Schweiz weder beruflich noch sprachlich integriert sei und über keine gesicherten Mittel verfüge (Schreiben des Migrationsamts vom 7. September 2020).
Es erscheint durchaus möglich, dass der Zivilgerichtspräsident die Anzeigestellerin in der Verhandlung vom 28. August 2019 darauf hingewiesen hat, dass Entscheide des Zivilgerichts betreffend ausländische Personen dem Migrationsamt mitgeteilt werden. Betreffend die Meldepflichten im Zusammenhang mit zivil- und strafrechtlichen Urteilen (Art. 97 Abs. 3 lit. b AIG) bestimmt Art.82 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201), dass die Gerichtsbehörden zivil- und strafrechtliche Urteile, von denen Ausländerinnen und Ausländer betroffen sind, unaufgefordert der kantonalen Migrationsbehörde melden (vgl. Spescha, in: Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5.Auflage, Zürich 2019, Art. 97 AIG N 4). Dabei dürfte die Meldepflicht nur bestehen, wenn die Urteile Informationen enthalten, die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Migrationsbehörden geeignet und erforderlich sind (vgl. VwGer ZH VB.2013.00464 vom 22.August2013 E.4.3; Kiener/Breitenbücher, Das Recht von Sans-Papiers auf Justizzugang, in: ZBl 2019 S. 356ff., 370). Entscheide des Zivilgerichts betreffend das Getrenntleben einer ausländischen Person enthalten regelmässig Informationen, die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Migrationsbehörden geeignet und erforderlich sind. Dies gilt insbesondere auch für die Entscheide des Zivilgerichtspräsidenten vom 25. April und 23. Oktober 2019 sowie 19. August 2020. Damit war das Zivilgericht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Entscheide betreffend das Getrenntleben der Anzeigestellerin und ihres Ehemanns dem Migrationsamt mitzuteilen. Die Behauptung der Rechtsvertreterin der Anzeigestellerin, der Zivilgerichtspräsident dürfe das Migrationsamt nur über die Trennung informieren, ist unrichtig.
Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist es nicht zu beanstanden, dass der Zivilgerichtspräsident der Anzeigestellerin erklärt hat, bei Ablehnung des Angebots des Ehemanns bestehe die Gefahr, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könne, Sozialhilfe beziehen müsse und ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz verliere. Genauso wenig wäre es zu beanstanden, wenn der Zivilgerichtspräsident die Anzeigestellerin zusätzlich darauf aufmerksam gemacht hätte, dass dem Migrationsamt Kopien seiner Entscheide zugestellt werden. Diese Informationen mögen für die Anzeigestellerin zwar bedrohlich gewirkt haben, zumal ihr bewusst gewesen sein dürfte, dass das Migrationsamt aufgrund der Zustellung der Entscheide zwar keine Kenntnis von der Ablehnung des Angebots des Ehemanns erhalten wird, sehr wohl aber von ihrer daraus resultierenden rechtlichen und wirtschaftlichen Situation. Da die Informationen korrekt gewesen sind und dazu gedient haben, die Anzeigestellerin über ihre Lage aufzuklären, kann darin trotzdem keine unzulässige Drohung gesehen werden. Der Vorwurf psychischer Gewalttätigkeiten (vgl. Anzeigeergänzung, S.2) entbehrt jeglicher Grundlage.
Dass der Zivilgerichtspräsident erklärt habe, er ziehe in Erwägung, das Migrationsamt und die Sozialhilfe über die Ablehnung des Angebots des Ehemanns durch die Anzeigestellerin zu informieren, ist hingegen nicht glaubhaft. Selbst unter der Annahme, dass er sich über die Anzeigestellerin und ihre Rechtsvertreterin geärgert hätte, sind weder ein Grund, der ihn zu einer solchen Aussage hätte veranlassen können, noch ein Interesse, das er an einer solchen Aussage gehabt haben könnte, ersichtlich. Zudem spricht der Umstand, dass die Anzeigestellerin das Verhalten des Zivilgerichtspräsidenten soweit ersichtlich erst fast ein Jahr später erstmals beanstandet hat, gegen ein ernsthaftes Fehlverhalten. Bei einem solchen wäre zu erwarten, dass es von der Anzeigestellerin nach Rücksprache mit ihrer Rechtsvertreterin innert vernünftiger Frist beanstandet worden wäre, wenn sie sich daran gestört hätte. Die Angaben der Anzeigestellerin und ihrer Rechtsvertreterin sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie die Aussagen des Zivilgerichtspräsidenten betreffend die Gefahr des Verlusts des Aufenthaltsrechts und der Sozialhilfeabhängigkeit sowie die Mitteilung der Entscheide an das Migrationsamt missverstanden haben.
Betreffend die Stimmung bzw. die Ausdrucksweise des Zivilgerichtspräsidenten erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Anzeigestellerin und ihre Rechtsvertreterin eine gewisse Ungehaltenheit wahrgenommen haben mögen. Darin läge aber keine ungebührliche Behandlung der Verfahrensbeteiligten.
6.3 In ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung des Zivilgerichtspräsidenten wirft die Anzeigestellerin zusätzlich die Frage auf, worin der Zweck des Schreibens des Zivilgerichtspräsidenten vom 29. August 2019 an das Migrationsamt bestehe (Stellungnahme, S. 3). Am 29. August 2019 verfügte der Zivilgerichtspräsident eine amtliche Erkundigung beim Migrationsamt über den aktuellen aufenthaltsrechtlichen Status der Anzeigestellerin und der Tochter sowie den Stand und den mutmasslichen Ausgang des laufenden aufenthaltsrechtlichen Verfahrens. Die betreffenden Informationen waren insbesondere für die Regelung der Obhut erforderlich. Dabei musste der Zivilgerichtspräsident namentlich die Frage beantworten, ob die Tochter die Schule in Basel in Frankreich besuchen sollte. Zur Beurteilung, ob und wie lange ein Schulbesuch in Basel möglich war, musste er den aktuellen und den mutmasslichen künftigen Aufenthaltsstatus der Anzeigestellerin und der Tochter kennen (vgl. zum Ganzen Entscheid vom 23. Oktober 2019, E. 3.3 f.). Die amtliche Erkundigung beim Migrationsamt ist damit in keiner Art und Weise zu beanstanden.
7. Weitere Vorwürfe
7.1 Die Anzeigestellerin behauptet, am 5. November 2019 habe sie die "permanence juridique" bzw. die unentgeltliche juristische Beratung am Zivilgericht besuchen wollen. Der Grund dafür scheint darin bestanden zu haben, dass der Ehemann die Unterhaltsbeiträge gemäss dem Entscheid vom 23. Oktober 2019 nicht habe bezahlen wollen. Während sie gewartet habe, habe sie den Zivilgerichtspräsidenten gesehen und ihn mit dem Mitarbeiter, der die Wartenummern abgegeben habe, sprechen gehört. Später habe ihr der Mitarbeiter gesagt, dass sie die "permanence juridique" bzw. die Beratung nicht besuchen könne, weil ein Verfahren hängig sei (vgl. Anzeige, S. 2; E-Mail der Anzeigestellerin an ihre Rechtsvertreterin vom 10. November 2019; Stellungnahme, S. 5 f.). Mit der "permanence juridique" dürfte die Anzeigestellerin die Eheaudienz bzw. Rechtsauskunft gemeint haben. Für den Fall, dass die Anzeigestellerin beanstanden sollte, dass sie nicht zur Eheaudienz zugelassen worden sei, erklärt der Zivilgerichtspräsident, dass dies nicht auf sein Verhalten zurückzuführen wäre, weil er in einen entsprechenden Vorgang nicht involviert gewesen sei. Der Grund dafür könnte darin bestanden haben, dass Parteien, die anwaltlich vertreten sind, in hängigen Verfahren von der Rechtsauskunft ausgeschlossen und an ihre Vertreter verwiesen werden. Dies ist nicht zu beanstanden, weil von anwaltlich vertretenen Parteien erwartet werden darf, dass sie sich mit ihren juristischen Fragen an ihre anwaltliche Vertretung wenden. Selbst wenn der Zivilgerichtspräsident dafür verantwortlich gewesen wäre, dass die Anzeigestellerin nicht zur "permanence juridique" zugelassen worden wäre, könnte ihm aus den vorstehenden Gründen kein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden.
7.2 Die Anzeigestellerin erklärt sinngemäss, sie verstehe nicht, weshalb der Kindesunterhalt heute noch Gegenstand eines Verfahrens vor dem Zivilgericht bildet, obwohl in Frankreich ein Scheidungsverfahren hängig ist (vgl. Anzeige, S. 2). Damit wirft sie die Frage nach der Zuständigkeit des Zivilgerichtspräsidenten auf. Diese ist nicht im aufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen, sondern im Fall eines zulässigen Rechtsmittels gegen eine Verfügung einen Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten und einer entsprechenden Rüge vom Appellationsgericht als Beschwerde- Berufungsinstanz.
7.3 Schliesslich wirft die Anzeigestellerin Fragen betreffend den Entscheid vom 19.August 2020 und seine Auswirkungen auf (Anzeigeergänzung, S. 2 und Stellungnahme, S. 4 f.). Auch diese sind offensichtlich nicht geeignet, ein pflichtwidriges Verhalten des Zivilgerichtspräsidenten zu begründen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
8. Zusammenfassung und Kosten
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass kein pflichtwidriges Verhalten des Zivilgerichtspräsidenten feststellbar ist. Die aufsichtsrechtlichen Anzeigen sind deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Für das aufsichtsrechtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben (vgl. § 68 Abs. 6 GOG).
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Die aufsichtsrechtlichen Anzeigen vom 23.Juni und 31.August2020 werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
Es werden keine Kosten erhoben.
Mitteilung an:
- Anzeigestellerin
- Zivilgerichtspräsident A____
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Der Gerichtsschreiber
Dr. Alexander Zürcher
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